Tod auf Raten - vom schleichenden Ende eines vom Eigentümer zunehmend ungeliebten Nahverkehrsmuseum

Unmitterlbar vor der Schließung im September 2016 steht nach rund 38 Jahren das kleine Verkehrsmuseum der SWK Mobil am Krefelder Nordbahnhof. Wie der Homepage des Vereins "Freunde der Eisenbahn Krefeld e.V." zu entnehmen ist, wird das Museum letztmalig am 11. September 2016 zwischen 10.00 und 13.00 Uhr zu besichtigen sein, danach ziehe das Museum an einen neuen Standort um und werde bis auf Weiteres nicht mehr zu besichtigen sein. Damit hat sich leider bewahrheitet, was als Gerücht seit Frühjahr 2016 bereits in der Krefelder Nahverkehrsszene seine Runden zog.

Blicken wir zurück:

Ende 1978 wurden die Räumlichkeiten der Bahnmeisterei der Krefelder Eisenbahn ("Schluff" genannt) am Krefelder Nordbahnhof ,nach deren Verlagerung zum Standort Weeserweg , zu einem kleinen Nahverkehrsmuseum mit den Themen

- Krefelder Eisenbahn (Schluff)
- Straßenbahn in Krefeld
- O-Bus in Krefeld
- Omnibus in Krefeld

umgestaltet. Betreiber war die damalige Krefelder Verkehrs-AG (Krevag), der Vorgänger der heutigen SWK Mobil GmbH innerhalb des SWK-Konzern.

Ausgestellt wurden u.a.:

- Fotos
- Bauteilen von Omnibussen und Straßenbahnen
- Modelle von Fahrzeugen
- eine HO-Modellanlage als Diorama des Bf. Krefeld-Nord
- eine LGB-Straßenbahn mit Modellen nach Krefelder Vorbild
- ein Fahrgastabteil eines alten Schluff-Waggon
- Original Zeichnungen und Gleispläne der Krefelder Eisenbahn
- Ausstattungsgegenstände aus den Büros, Werkstätten, Bahnhöfen und Stellwerken der Krefelder Eisenbahn.

Zudem diente das Museum dem Verein "Freunde der Eisenbahn Krefeld e.V." als Versammlungsort für Film- und Diaabende.

Bereits um 1980 konnte das Museum um ein Außengelände erweitert werden, auf dem auch ehemalige Schienenfahrzeuge der Krefelder Straßenbahn zur Aufstellung kamen:

- ein Schrankenbaum
- das Fahrgestell eines Aufbauwagen
- eine E-Lok der Krefelder Straßenbahn
- ein Düwag-Großraumwagen mit beiwagen der Krefelder Straßenbahn
- ein Düwag-Nachläufer-Gelenkwagen der Krefelder Straßenbahn
- ein OEG-Halbzug , der von Heidelberg über den Umweg der Selfkantbahn bei Aachen seinen Weg nach Krefeld fand.
- ein Rollbock der Geilenkirchener Kreisbahn (1000 mm), der einen KEG-Speichenradsatz trägt.

Um 1982 wurde schließlich im benachbarten Stellwerksgebäude noch ein Büro, Archivraum und Lager für das Museum eingerichtet.
Den Abschluß der Aufbauarbeit bildete um 1982 die Aufstellung eines Doppelstockomnibusses aus Krefelds englischer Partnerstadt Leicester.

Damit hatte das Museum allerdings bereits auch schon seinen Zenit erreicht, denn ab ca. 1985 setzte das schleichende Ende dieses mit viel Engagement aufgebauten Museums ein:

1981 - 1988: Die im Freigelände aufgestellten Schienenfahrzeuge setzen Moos, Rost und Dreck an, notwendige Pflege durch die damalige Krevag bleibt aus.

1988: Arbeitsgruppen des Vereins "Freunde der Eisenbahn Krefeld e.V." beginnen mit Unterstützung der Krevag mit der Reinigung und Pflege der Fahrzeuge im Außengelände am Preußenring (Nordbahnhof) in Krefeld.

1989: Im Sommer 1989 ordnet der damalige Krevag-Vorstand die kurzfristige Stoppung der Renovierungsarbeiten und Verschrottungd der Fahrzeuge im Außengelände an. Dem Autor dieser Zeilen gelingt es, den OEG-Halbzug vor der Verschrottung zu bewahren und vermittelt ihn an einen Krefelder Privatmann.
Der englische Doppelstockbus kann dem Verschrottungswahn dank seiner Reifen entgehen und verschwindet im Krevag Busdepot Weeserweg in Krefeld. Kleinere Exponate wie Rollbock, Trafo, Schranke usw. "überleben" zunächst.

1990: Krevag und Stadtwerke Krefeld fusionieren zum Vorgänger des heutigen SWK AG - Konzern.

1994: Der Wirt der benachbarten Gaststätte "Nordbahnhof" meldet erstmals Begehrlichkeiten an, das Museum als Erweiterung seiner Gastronomie nutzen zu wollen.

1995-2000: Im Stellwerk werden weitere Räume zur musealen Nutzung hergerichtet, u.a. ein Besprechungs- und ein Vortragsraum.
Mittlerweile betreut die 1999 aus den "Freunden der Eisenbahn Krefeld e.V." hervorgegangene "Interesssengemeinschaft
Schienenverkehr Krefeld e.V." ebenso die Hist. Verkehrsmittelschau. Beide Vereine stellen auch das Zugpersonal für den hist. Zug "Schluff".

2001: Als Folge der 11. September-Katastrophe in den USA wird das Stellwerk mit neuen Aufgaben des Bereich "Energie" der SWK betraut, in
Folge dessen müssen im Stellwerk einige Räume aufgegeben werden, so. u.a. das Lager im Keller sowie der Besprechungs- und der
benachbarte Vortragsraum.

ca. 2002: Das Freigelände wird endgültig aufgelöst bzw. die dortigen Exponate verschrottet, dem Autor dieser Zeilen gelingt es, den Rollbock der Geilenkirchener Kreisbahn samt Regelspurradsatz an die Selfkantbahn zurückzuvermitteln, die beides dankbar abholten.

2004: Zwei völlig überforderte SWK-Mobil-Mitarbeiter begannen mit der "Neugestaltung" der Verkekrsmittelschau, die nach 25 Jahren einer Renovierung / Neuausrichtung dringend bedarf. Doch die gut gemeinte Aktion endet in einer Katastrophe:

- die beiden auf das Thema Straßenbahn fixierten SWK-Mitarbeiter verkannten den Wert vieler Exponate aus dem Bereich Eisenbahn (Schluff) und O-Bus , sodaß viele Exponate plötzlich in Privathand oder bei ebay landeten.

- Großexponate wurden "vorübergehend" im Betriebshof der SWK eingelagert und fanden anschließend den Weg nicht mehr zurück zum Nordbahnhof - sondern zum Schrotthändler.

- Original - Zeichnungen der Krefelder Eisenbahn "verschwanden" auf ominöse Art und Weise

- Teile der Ausstattung werden in die benachbarten Räume der ehemaligen Signalmeisterei der Krefelder Eisenbahn ausgelagert - doch deren undichtes Dach führt zu Wasserschäden an einigen Exponaten, inklusive Schimmel.

- eine mit der Aufgabe ebebfalls überforderte SWK-Marketingabteilung stattete die Hist. Verkehrsmittelschau mit Siebdruckinfotafeln aus, deren Texte haarsträubende Fehler enthalten - Korrekturen waren und sind hier nicht mehr möglich. Keine zehn Jahre später haben diese Kunsttofftafeln in 2016 bereits ihr Lebensende erreicht und lösen sich auf.

- die Neugestaltung sollte einen roten Faden der Bereiche Eisenbahn, Straßenbahn und Bus zeigen, der in der "alten" Verkehrsmittelschau auch mit "viel guten Willen" nicht erkennbar war. Dieses Ziel wurde mit der Neugestaltung wieder nicht erreicht.

- es dauerte von 2006 bis zum heutigen Tag, um den nüchtern-sachlichen Einrichtungsstil der SWK-Marketingabteilung in ein "Museum" zu verändern.

- über ein Jahr war die Hist. Verkehrsmittelschau für die "Neugestaltung" gesperrt, das Ergebnis war eine "Verschlimmbesserung" nach dem Motto: "Der Adler kreiste und gebar ein Mäuschen".

- das Hauptproblem der familienunfreundlichen Öffnungszeiten (2. Sonntag im Monat, 10.00 - 13.00 Uhr) wurde nicht behoben

Um 2005: Der Wirt der benachbarten Gaststätte "Nordbahnhof" überrascht mit der Nachricht, die Hist. Verkehrsmittelschau als "museales Cafe" in sein Gastronomiekonzept einbinden zu wollen, Vereinsmitglieder der beiden Vereine sollten nach Möglichkeit die künftigen Cafebesucher in hist. Uniformen unentgeltlich "bespaßen".

seit 2000 bis heute: Ein als "ehrenamtlicher" Leiter der Hist. Verkehrsmittelschau und des Archivs im Stellwerksgebäude eingesetzter pensionierter Staatsbeamter ist mit der ihm übertragenen Aufgabe hoffnungslos überfordert, der Schwerpunkt seiner Interessen liegt fatalerweise im Modellbahnbereich (Märklin). Ihm gelingt es nicht, mit neuen Ideen das Museum für neue Besuchergruppen zu erschließen (z.B. Schulklassen aus Krefeld und dem Kreis Viersen). Als Nicht-Handwerker ist es ihm zudem , auch aufgrund seines Alters, nicht möglich, kleine handwerkliche Arbeiten im Museum selbst auszuführen.
Selbst die Pflege der Dokumente aus den Bereichen Krefelder Eisenbahn, Krefelder Straßenbahn, Busse in Krefeld muss dieser seit Jahren von Kennern der Szene als "Huusmeester" titulierte Zeitgenosse mangels eigener Kompetenz Dritten überlassen.
Diese Umstände dürften auch dazu geführt haben, dass vor ca. 5 Jahren das " offizielle" Unternehmensarchiv der SWK seinen Weg ins Stadtarchiv Krefeld und nicht in das Archiv am Krefelder Nordbahnhof fand.

seit 2010: Die SWK verlieren zunehmend das Interesse an dem Museum bzw. sehen ihre Unternehmensgeschichte als störenden Kostenfaktor, notwendige Investitionen in den baulichen Erhalt der Gebäude bleiben aus, wie z.B:

- Repartur von undichten Dächern im Bereich der ehem. Signalmeisterei

- Erneuerung von 50 Jahre alten, völlig durchgefaulten Fensterrahmen im Stellwerkgebäude

- Austausch von zerborstenen Glasbausteinen in der ehem. Bahnmeusterei, der Hist. Verkehrsmittelschau

2015: Erstmals kommen Gerüchte auf, dass der bei der SWK mit viele Einfluss agierende Wirt der Bahnhofsgaststätte "Nordbahnhof" Wünsche angemeldet hat, dass Museum zugunsten weiterer Parkplätze für seine Kundschaft aufzugeben.

2016: Hinter vorgehaltener Hand sprechen SWK-Mitarbeiter bereits im Frühjahr von "gravierenden" Veränderungen im Bereich der hist. Verkehrsmittelschau, die eine Schließung noch im Jahr 2016 nicht ausschließen wollen.

August 2016: Das Ende eines nur noch stiefmütterlich durch den SWK-Konzern unterstützten Nahverkehrsmuseum kündigt sich an!

Sic transit gloria mundi! - Das waren schon die Worte von Eckehard Flössel im Jahre 1989, wo die Fahrzeuge im Außengelände verschrottet wurden. Gottlob muss dieser Mann nicht mehr das Ende eines seiner Lebenswerke miterleben.

Da ist es wohl auch nur noch eine Frage der Zeit, bis der derzeitige Geschäftsführer von SWK-Mobil auch das Ende der Museumsbahn "Schluff" einläuten wird.

Wieder einmal bewahrheitet sich meine Erfahrung, dass der Erhalt historischen Materials äußerst personenabhängig ist und keineswegs ein allgemeines Kulturgut.
Wie sagte mir doch schon in den 1970er Jahren der Herr Gerresheim (KVG Jüchen), als ich ihn auf seinen Fahrzeugpark der 50er und 60er ansprach: "Keine Ahnung. Was interessiert uns das Vergangene - wir müssen Geld verdienen!"
Komischer Weise flammt dann noch etwas auf, wenn ein Jubiläum ansteht. "Warum nur ist denn da kaum etwas zeigbares aufzutreiben? Nach so vielen Jahren müsste doch was da sein!"
Wir könnten denen die Frage beantworten, aber das wollen die eigentlich gar nicht.

Bleibt uns nur mit einem herzlichen "Shareholder-Value" auf eine Zukunft ohne Vergangenheit anzustoßen!

Herzliches Beileid allen historisch Interessierten
HKR

Traurige Nachrichten... Warum musste denn als Folge der Anschläge vom 11.09.2001 das Stellwerk für den Bereich Energie herhalten? Die Anschläge waren ja nicht gerade um die Ecke.
Was man auch immer wieder im Zusammenhang mit Ausstellungen historischer Fahrzeuge liest: Die Aufstellung auf Freigelände scheint generell keine gute Idee zu sein, weil die Exponate dort fast immer in der Witterung verrotten und für eine angemessene Pflege kein Geld da ist.

Norfried V: "Traurige Nachrichten... Warum musste denn als Folge der Anschläge vom 11.09.2001 das Stellwerk für den Bereich Energie herhalten? Die Anschläge waren ja nicht gerade um die Ecke."

Richtig, die Anschläge waren nicht in Deutschland, lösten aber hierzulande gewisse "Kettenreaktionen" aus, die ich hier nicht näher erläutern möchte.

Grüße

Martin

Irgendwie bisschen komisch dass das genau an einen 11.September geschlossen wird...