Nach Hamburg nur noch Stehplätze

Am Mittwoch wurden mehr als 300.000 Reisende durch den Hauptbahnhof geschleust. Nach einer durch Duisburger Fußballfans verursachte Störung in Deutz kam es am Nachmittag zu Verspätungen. Auf dem Weg in den Norden musste man stehen.

In einem Häuschen auf dem Bahnsteig an den Gleisen vier und fünf des Hauptbahnhofs entscheiden sich Schicksale. Komme ich heute noch nach Hamburg? Wann fährt der Ersatzzug nach Berlin? Oder soll ich doch besser auf den Regional-Express umsteigen und mich Richtung Bremen durchschlagen? Fragen wie diese beantwortet Patric Schmitt im Sekundentakt. Wenn er sie denn beantworten kann. „Der IC nach Hamburg ist komplett ausreserviert“, sagt der Mann mit der roten Mütze. „Und hat heute drei Wagen weniger.“ Nach Hamburg nur noch Stehplätze. Der Ersatzzug nach Berlin kann sich nicht von Köln trennen. Er wartet auf Anschluss.

Ausreserviert. An diesem Mittwoch um 13.10 Uhr klingt das wie ein Todesurteil. „Darf ich ohne Reservierung überhaupt einsteigen? Ich muss doch nach Bremen“, fragt eine junge Frau fast schon demütig. „Sie können es versuchen“, antwortet Schmitt, während der Bildschirm für den Hamburg-Intercity, der Köln mit 30 Minuten Verspätung erreichen wird, der „örtlichen Aufsicht“ auf dem Bahnsteig die Empfehlung gibt, die Fahrgäste auf Alternativzüge zu verweisen. „Bis Münster kann ich ja noch die Regionalzüge empfehlen.“ Aber Bremen oder Hamburg? „Da gibt es keine Alternative.“

Mehr als 300 000 Reisende werden an diesem Mittwoch durch den Hauptbahnhof geschleust - rund 30 Prozent mehr als an einem normalen Werktag. „Donnerstag wird ein Großkampftag. Das wird sich dann bis in die Mittagsstunden des Heiligabend hinziehen“, weiß Peter Kradepohl. Kölns Bahnhofsmanager hofft inständig auf eine „Verkehrslage, bei der wir am Ende nicht wieder die einzigen sind, die ihren Betrieb einigermaßen aufrechterhalten können.“ Eingeschränkter Flugverkehr, vereiste Autobahnen - die Bahn reagiert mit einem Sonderfahrplan auf diese „besondere Lage“.

Bis zum 29. Dezember wird der Verkehr auf den wichtigen Nord-Süd- und Ost-West-Verbindungen verstärkt. Für Köln heißt das: Täglich sechs Direktverbindungen mehr nach Berlin. Der Haken: Dafür fährt kein IC nach Magdeburg und Leipzig. Wer zum Weihnachtfest über diese „Schwachlaststrecke“ fährt, muss in Hannover auf den Nahverkehr umsteigen. Richtung Süden ist das ähnlich. Alles rollt nach München. Schwachlast-Weihnachten wird zwischen Karlsruhe und Nürnberg nur mit dem Regional-Express erreicht.

13.40 Uhr. Der Hamburger kommt. Eine halbe Stunde zu spät und voll bis unters Dach. Mitten im Getümmel setzt Bilal Öztürk seinen MBS in Bewegung und ein strahlendes Lächeln auf. „Willkommen in Köln. Möchten Sie einen kostenlosen Kaffee? Oder ein Stückchen Kuchen?“ MBS - das ist der mobile Bahnsteigservice der Bahn. Die Deeskalationsstrategie besteht aus zwei Thermoskannen, Plastikbechern und ein paar freundlichen Worten. Und kommt gut an - in aller Regel. Vor allem Engländer und Franzosen seien sehr angetan von diesem Service. Ob es dort bei der Bahn vor Weihnachten noch chaotischer zugeht? Öztürk muss oft den Blitzableiter spielen. „Den Kaffee hat mir noch keiner vor die Füße geworfen.“

Bahnhofsmanager Kradepohl weiß um die Verärgerung der Kunden. Der Ersatzzug nach Berlin steht immer noch am Parallelgleis, die Menschen auf den Gängen. Die Abfahrt verzögert sich um eine halbe Stunde. Es ist die Entscheidung zwischen Pest und Cholera. Zug warten lassen oder Anschluss verpassen.

Von Kleinigkeiten wie „ausreservierten“ Zügen lassen sich Bahnprofis wie Winand Nelihsen nicht abschrecken. „Ich reserviere nie. Weil das meistens schief geht“, sagt der 79-Jährige, bringt seinen Rollkoffer in Kampfstellung, um sich ins Getümmel zu stürzen. Seine Strategie: Das Chaos der Platzsuche erst im Speisewagen aussitzen und dann ins Schaffnerabteil wechseln. „Da sollen die mich mal rauswerfen.“ Doch diesmal, auf dem Weg nach Hamburg zu seinen Enkelkindern, geht der Plan nicht auf. Im Bordbistro sieht es aus, als habe jemand das Kommando „Freibier für alle“ durch die Zuglautsprecher ausgegeben.

Ob er hier etwas zu sagen habe, schimpft eine ältere Dame, die ebenfalls nach Hamburg will, als sie den Bahnhofsmanager sieht: „Zu meinem Sohn.“ Egal, wann und wohin sie fahre. „Die Bundesbahn ist ein Sauhaufen. Dafür kann sich Deutschland nur noch schämen.“ Der Kaffeebecher in ihrer Hand zittert vor Aufregung. Immerhin: Sie hat eine Reservierung. Kradepohl bleibt ruhig. „Es wird Sie wenig trösten. Aber wir fertigen hier jeden Tag 1200 Züge ab. 13.45 Uhr: Der Berliner ist weg, der Hamburger auch. Doch der nächste „Problemzug“ ist schon angekündigt. Ein Fall für Öztürk und sein MBS-Mobil..

„Wir sind auf alles vorbereitet“, sagt der Bahnhofsmanager. Sollte es wettertechnisch ganz dicke kommen, habe man mit dem Fernverkehr vereinbart, einen Zug mit Übernachtungsmöglichkeiten im Hauptbahnhof zu parken. Alle 140 Mitarbeiter des Hauptbahnhofs wüssten, was zu tun ist. Für den Fall der Fälle. Der tritt eher ein als ihm lieb ist. Am späten Nachmittag streikt eine S-Bahn in Deutz - mit ungeahnten Folgen. Fußballfans aus Duisburg packt die Ungeduld, sie verlassen den Zug, nehmen zum Teil die Abkürzung über die Gleise. Eine Stunde lang geht in Hauptbahnhof nichts mehr. Aus Sicherheitsgründen wird der Betrieb eingestellt.

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Interesant das man im Notfall Züge zum schlafen bereit stellt.
Auch die Duisburger Fans sind genannt worden - Schuld war eine streikene S-Bahn
Endlich mal ein Zeitungsartikel der kein Bahn-Bashing ist

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Quelle: Kölner-Stadtanzeiger

Nur weil ne S-Bahn streikt, darf man trotzdem nicht einfach so auf die Gleise...

Sind halt Fussballfans ;-)

Stimmt...